Was sind heilsame Prozesse während einer Aufstellung?


Bewusstwerdung und Integration von Gefühlen

Wenn Gefühle verdrängt wurden, weil sie zu belastend waren oder tabuisiert wurden, können sie bei einer Aufstellung ans „Tageslicht“ und ins Bewusstsein geholt werden. Oft sind das zum Beispiel Wut, Trauer oder Schuld. Diese Gefühle können nun gefühlt und integriert werden. Manchmal ist es auch nötig, zu sortieren, ob das Gefühl ursprünglich zu einem selbst gehört oder von einer anderen Person übernommen wurde.


Indem ein Gefühl sich endlich zeigen darf, bekommt es eine Existenzberechtigung. Es wirkt sehr entlastend und befreiend, wenn keine Energie mehr aufgewendet werden muss, das Gefühl zu verdrängen. Stattdessen wird Energie frei. Bei der Wut beispielsweise als vitale Kraft, die hilft, sich abzugrenzen. Ein sehr wirkungsvolles Vorgehen um Gefühle zu integrieren, ist, dem Herz einen eigenen Stellvertreter zuzuordnen. Das Herz kann allen Gefühlen Heimat bieten, es hat Verständnis und urteilt nicht.

Begegnung mit dem Inneren Kind

Da bei einer Aufstellung Raum und Zeit aufgehoben sind, können vergangene Ereignisse ins Jetzt geholt werden. Für die Aufstellende ist es so möglich, ihrem Inneren Kind und seinen Gefühlen zu begegnen, sie kann mit ihm fühlen, hat aber trotzdem die Distanz der heute Erwachsenen. Es wirkt erlösend, wenn das Innere Kind aussprechen kann, worunter es gelitten hat und was es belastet. Wo es sich nicht gesehen, nicht verstanden, nicht geliebt gefühlt hat, wo seine Bedürfnisse nicht erfüllt wurden oder wo es in irgendeiner Weise missbraucht wurde. Das Ausmaß der eigenen Verletzung anzuerkennen, ist der erste Schritt auf dem Heilungsweg.


Übernahme von Eigenverantwortung

Nach der „Reise in die Vergangenheit“ und dem Anerkennen der Verletzungen besteht der nächste Schritt darin, dass das Innere Kind jemand an die Seite bekommt, der fortan liebevoll für es sorgt und auf den es sich verlassen kann.

Dies ist der Appell an die Erwachsene, Verantwortung zu übernehmen für die Bedürfnisse und Befindlichkeiten des Inneren Kindes und zu erkennen, dass keine Abhängigkeiten mehr bestehen und das Glück in der eigenen Hand liegt.

In den Aufstellungen wird das erlebbar, indem eine Stellvertreterin für die „Eigenverantwortung“ hinzugenommen wird. Manchmal auch für „das Leben“. So geschieht der Schwenk von der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft. In der Interaktion mit der Eigenverantwortung und dem Leben wird deutlich, wie es weiter gehen kann und welche Schritte notwendig sind, um ein fortan selbstbestimmtes Leben zu führen. Damit einher geht oft, die Eigenverantwortung der Anderen ebenfalls anzuerkennen. Denn oft fühlen sich Kinder für ihre Eltern oder Großeltern verantwortlich und tragen Lasten, die nicht auf ihre Schultern gehören. Die Rückgabe der Verantwortung dorthin, wohin sie gehört, kann in Aufstellungen vollzogen werden. Ebenso wie der Verzicht, anderen helfen zu wollen, die das gar nicht möchten, wie auch das Lösen von unfreien Bindungen.


Verständnis für die Geschichte der Eltern

Wenn ein Kind beispielsweise unter einer überforderten oder gefühlskalten Mutter, einem gewalttätigen Vater gelitten hat, erschließen sich in einer Aufstellung die Zusammenhänge, warum die Eltern so sind wie sie sind. Die Ursachen, dass Eltern ihre Rolle nicht liebevoll ausfüllen können, liegen ja auch in deren Biographie: in evtl. erlebten Traumen oder Verlusten, oft im Krieg, oder auch, weil sie selbst ein „ungeliebtes Kind“ waren und ihrerseits unter mangelnder Liebe und fehlendem Verständnis litten.


Diese Zusammenhänge in der Gesamtschau zu verstehen und anzuerkennen, dass die Eltern ihre eigenen „Wackersteine“ hatten und meistens ihr Bestes gaben - auch wenn es für das Kind zu wenig war - hilft, sich mit den eigenen Eltern auszusöhnen und inneren Frieden zu finden.


Lösen von Glaubenssätzen

Einschränkende Glaubenssätze sind oft unbewusst. Wir übernehmen sie von unseren Eltern, der Gesellschaft, der Kirche oder wir machen sie uns selber.

Dafür eine eigene StellvertreterIn aufzustellen, ist ein sehr wirkungsvolles Mittel. Die StellvertreterIn kann die Glaubenssätze bewusst machen und es ist erstaunlich, manchmal sogar erheiternd, was sie zu Tage fördert.

Dieses Vorgehen befeuert den Fortgang einer Aufstellung oft, weil die Betroffene — hört sie die Sätze so klar und provokativ — die Kraft bekommt, sich aus diesen sogenannten „Ohnmachtsblasen“ zu befreien und sich nicht länger einschränken zu lassen.

Aufgeben kindlicher Bewältigungsstrategien

Wenn Kinder unter ungünstigen Bedingungen aufwachsen, entwickeln sie Strategien, die ihnen helfen, damit zurecht zu kommen, die ihnen aber auf die Dauer nicht förderlich sind. Dazu gehören zum Beispiel Trotz, Clownerie, Krankheit, übergroße Hilfsbereitschaft oder Rücksichtnahme, sich als Partnerersatz zur Verfügung stellen, sich übermäßig anstrengen um Anerkennung zu bekommen... Diese Strategien werden in einer Aufstellung deutlich und können als „überholt“ erkannt werden. Sie werden als Überlebensstrategien gewürdigt und dann entlassen. Der Abschiedsprozess spiegelt dabei sehr genau wider, wie bereit jemand ist, diese vertrauten Anker los zu lassen. Es ist genau spürbar, ob das „Adieu“ nur ein Lippenbekenntnis ist oder ernst gemeint. Die Aufstellende hat somit die Chance, nochmal in sich zu spüren, welche Widerstände sie hindern, sich wirklich zu verändern.


Erfahren eigener Ressourcen

Wenn in einer Aufstellung erlebbar wird, was man alles durchgestanden bzw. überlebt hat, stärkt dies schon allein und führt die eigene Kraft vor Augen.

Zusätzlich werden der Aufstellenden oft explizit zusätzliche Ressourcen, wie sie in der Aufstellung nach dem Lösen der Blockaden auftauchen, zur Seite gestellt. Das können beispielsweise Vertrauen, Selbstliebe, Lebendigkeit, Mut, vitale „Wutkraft“ sein... Diese Qualitäten sind somit besser „fassbar“ und werden durch ihre StellvertreterInnen verstärkt. Die gefühlte und erlebte Eigenschaft kann nach der Aufstellung immer wieder abgerufen werden und steht als Kraft im Alltag zur Verfügung, wenn sie gebraucht wird.